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19
September
was erwartet ihr denn?
gerade eben musste ich dieses interview zum thema 'warum sind universität und studium kein wahlkampfthema?' lesen. prinzipiell hat der mann ja recht. aber über die letzte frage muss ich mich etwas aufregen.

"Empfinden Sie die Studenten als unpolitisch?"

jetzt mal ernsthaft: was erwartet ihr denn?

man bekommt was man füttert. und zur zeit füttert unser bildungssystem stumpfe zielstrebigkeit richtung beruf. nicht das am ende ein adäquater beruf stehen würde. ich hatte erst gestern wieder eine praktikumsausschreibung im bereich öffentlichkeitsarbeit mit "selbstständigem arbeiten", "mehrjähriger erfahrung im bereich", "abgeschlossenem hochschulstudium oder fortgeschrittenes bachelorstudium", "mindestens 6 monate laufzeit" und natürlich "leider ohne bezahlung" in der hand. das ist kein praktikum, das ist sklavenarbeit!

aber das ist ein anderes thema.

an unserer (geisteswissenschaftlichen) fakultät geht man bei einigen studiengängen mittlerweile so weit, dass die studenten sich die vertiefungsmodule am anfang ihres studiums 'beantragen' sollen, danach werden sie zugewiesen und bekommen einen durchgeplanten stundenplan für die nächsten 3 jahre. das verstößt zwar gegen das gesetz, interssiert aber keine sau. wobei die wut darüber einen faden beigeschmack hat, denn die 'täter' vom betreffenden institut handeln aus reiner not, hat man ihren studiengang doch einfach mal dreifach überbelegt - zugangsvorraussetzung abgeschafft ohne die lehrkapazitäten zu erhöhen. studienabbrecher sind egal, denn die uni bekommt ihr geld ja pauschal für neuimmatrikulierte. welches dann auf die technischen und naturwissenschaftlichen fakultäten umverteilt wird. und mal unter uns: es sind eh bloß geisteswissenschaftler. die können doch froh sein, dass sie so wenig kosten. sonst gäb' es die doch schon lange nicht mehr ...

wobei die unart des provozierten studienabbruchs (aka rausprüfen) bei den technischen und naturwissenschaftlichen fächern noch deutlich verbreiteter ist. dass hier lebensträume zerstört werden, interessiert keinen. jedes jahr bringen sich zig studenten um.

wird den leuten einmal gesagt, dass sie sich dagegen auch wehren können? studenten werden darauf getrimmt, ihr schicksal hinzunehmen und ein versagen als perönlichen fehler zu erkennen. und versagen lauert oft an einem weg, der mit prüfungen, praktikas, vorträgen und hausarbeiten gepflastert ist. alles zählt auf die endnote. mach keine fehler oder du findest keinen job. der weg zum mündigen bürger sieht anders aus.


aber auch ansonsten braucht man sich nicht wundern, dass sich studenten nicht wirklich für politik im allgemeinen und parteienpolitik im speziellen interessieren. den neuen studenten ist überhaupt nicht bewusst, dass sie aus den quasi-diktaturen 'schule' und 'elternhaus' raus sind und jetzt in einem system stehen, das nach regeln spielt, wo jeder gewisse rechte hat und wo man im zweifelsfall auch auf seinem recht bestehen kann. die universität wäre der ideale ort, um menschen die schönheit der demokratie zu zeigen, ja sie gar zur mündigkeit zu erziehen. doch das gegenteil tritt ein. diejenigen, die in diesem system das geld verteilen, legen es systematisch darauf an, dass studenten so wenig wie möglich von ihren rechten erfahren, sich so wenig wie möglich engagieren und so wenig wie möglich auf ihrem recht bestehen. denn selbstbewusstsein oder gar engagement sind nichts positives, was die universität oder gar das ganze bildungssystem voranbringen kann, sondern etwas negatives, was die verwaltung erschwert und doch eigentlich unnötig ist. der student wird systematisch vom subjekt des bildungssystems zum objekt degradiert. engagierte werden zu querulanten, demokratie wird zum klotz am bein, mitbestimmung zur illusion.

neue studiengänge werden auf ministeriumserlass (aka zielvereinbarung) und gegen den willen von studentenschaft und fakultät eingeführt. die theoretisch vorhandene inneruniversitäre demokratie wird weitestgehend ausgehebelt, es muss ja alles schnell gehen. und das alles, damit einige wenige nach oben melden können: "ziel erreicht" und die regierungspartei bis zur nächsten wichtigen wahl ihre versprechen einlösen kann - egal wie unsinnig es ist und egal wie schlecht geplant der neue studiengang ist und egal wie viele studenten abbrechen werden. mitarbeit ist dort nicht erwünscht sondern lästig, von oben nach unten organisiert es sich ja eh viel besser. bezeichnender ausspruch: "ich mach mir dann dort meine eigene studentenschaft".

mit den gleichen zielvereinbarungen werden dann auch geisteswissenschaftliche studiengänge weggekürzt, da man unterbelegung feststellt nachdem man jahrzehntelang ausschließlich für technische und naturwissenschaftliche studiengänge geworben hat (deren absolventen hauptsächlich in die beiden großen südlichen bundesländer abwandern, was man ignoriert). das ende ist klar: geisteswissenschaft wird marktgerecht. es gibt nur noch lehrer/pädagogen, 'irgendwas mit medien', 'irgendwas mit europa' (für fördermittel) und ein paar studiengänge à la politische kaderschmiede (natürlich mit konservativen parteigängern als profs und dozenten). der rest wird gestrichen. braucht man eh nicht.

und dann kommt zu allem überdruss auch noch eine hochschulgesetzänderung, die die mitgliedschaft in der studentenschaft fakultativ macht. so in etwa wie die fakultative gesetzliche krankenversicherung oder der fakultative tarifvertrag. das sind auch so große erfolgsmodelle. das gesetz stammt angeblich aus der feder eines altgedienten vorzeigejuristen, liest sich aber streckenweise als hätte es jemand als 11. klasse schulprojekt geschrieben. hinter vorgehaltener hand erfährt man dann auch, dass eben diese kritischen stellen vom örtlichen rcds-vorsitzenden stammen - und der komplette rest der partei winkt es einfach durch. das ist die demokratie von morgen. das sind die leute, die "den linken sumpf" studentenschaft trockenlegen wollen. fraktionsdisziplin schlägt mitbestimmung. ich glaube ich muss kotzen.

 
 
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